Das Liebeslied

Die Sterne blinkten nicht, nicht hier draußen, sie waren still und ihr Licht schien kalt wie das Vakuum, das sie umgab. Von einem Planeten aus gesehen ist dies natürlich vollkommen anders, diese romantische Illusion hat ihre Ursache allerdings nur in der Atmosphäre. Romantik hatte hier keinen Platz, nicht mehr. Dem statischen Leuchten der Sterne gleich, starrten die eisig blauen Augen von Admiral Justus Cooper auf das Navigationsdisplay in der Pilotenkanzel des geräumigen VIP-Shuttles. Im Passagierbereich, hinter ihm, saß sein Flagglieutenant James Evans neben dem schlafenden Petty Officier Malcom Hunt. Beide waren bereits seit Jahren in seinem Stab und zählten zu den Glücklichen, die dies bisher überlebt hatten.

Ein Umschalten von Rot auf Blau an der Kommunikationskontrolle signalisierte dem Co-Piloten, dass sie in die Kommunikationsreichweite ihres Ziels gekommen waren. Mit zwei Tasten öffnete er den vorschriftsmäßigen Kanal: „Hier Shuttle A-siebenunddreißig-null-vier von Terra Controll, an T.Z.A. Morgana, erbitten Andockerlaubnis.“ Mit Beendigung der Aufzeichnung sendete er zeitgleich die Freigabe seiner Botschaft.
Der Pilot hatte die Morgana bereits seit geraumer Zeit auf einem der vier Großbilddisplays über den Steuerkontrollen im Blick, wo sich ein nahezu realitätsgetreues Rendering der äußeren Sensoren und des Lidars abzeichnete. Das Shuttle befand sich noch knapp 3,5 Millionen Kilometer entfernt und nährte sich mit einer Geschwindigkeit von über 1900kps dem Kreuzer der Taifun-Klasse.

Cooper unterzog seinem neuen Schiff, das zwischen den Konstruktionsarmen der kleinen Flottenwerft stand einen langen prüfenden Blick. Alle fünfzehn Minuten aktualisierte sich die Sensorendarstellung und offenbarte neue Details. Mit seinen knapp fünfundvierzig Megatonnen stand die Morgan im rötlichen Schein der zweiten Sonne inmitten des Alpha Ceti Doppelsternsystems. Sie war erst drei Jahre alt und bereits Teil der ersten offensiven Flotte. Vorliegenden Berichten zufolge, konnte die Morgana trotz ihrer kleinen Größe und ihrer geringen Dienstzeit bereits eine überragende Leistung nachweisen. Seit drei Monate lag sie hier und war nach umfangreichen Reparaturen wieder einsatzbereit. Neben Erweiterungen und neuer Munition erhielt sie heute auch einen neuen Captain Der Indikator an den Kommunikationskontrollen begann zu blinken und meldete somit das einkommen eines Signals. Der Co-Pilot nahm das Gespräch an: „Hier T.Z.A. Morgana an Shuttle A-siebenunddreißig-null-vier von Terra Controll, Sie haben Dockfreigabe an Schleuse drei. Drosseln Sie Ihre Geschwindigkeit und nähern Sie sich dem Leitstrahl.“
„Siebenunddreißig-null-vier hat verstanden“, bestätigte der Co-Pilot und beendete die Verbindung. Der junge Mann neben ihm, der das Steuer seit Stunden gewissenhaft im Auge behielt, erhielt ebenfalls ein Signal, welches er bestätigte und somit den Leitstrahl auf sein Display legte. Er wandte halb den Kopf, um Cooper anzusehen: „Sie sollten sich nun setzen, Admiral“, schlug er seinem Passagier vor.
„Nein, danke“, war seine trockene Antwort. Cooper gehörte nicht zu den Männern, die viel sprachen. Die letzten Wochen hatte er sogar noch mehr Geschwiegen als in den letzten Jahren. Der Pilot nahm den Wunsch des Admirals zur Kenntnis, reduzierte die Geschwindigkeit und schwenkte auf den vorgegebenen Kurs ein. Die abstehenden Manövrierdüsen des Shuttels, das an jeder Seite zwei davon hatte, drehten sich so, dass das kleine Beiboot sanft aber bestimmt aus dem ballistischen Kurs in die vorgegebene Richtung einlenkte. Die vier zusätzlichen Triebwerke auf Dach und Bauch drehten sich um 180 Grad und leiteten gleichzeitig die Schubumkehr ein. Trotz des inneren Trägheitskompensators zerrten die Fliehkräfte an den Passagieren. Cooper stützte sich an den Seitenwänden des Shuttles und hielt stand.

Das Shuttle dockte nur Minuten nach erreichen des Leitstrahls an der vorgegebenen Schleuse an und glich sich Morganas Schwerefeld an, ehe es seine Schotts öffnete. Mit freundlichen Worten entließ es ihre drei Passagiere in ihr neues Zuhause.
Als erstes betrat Cooper sein Schiff, dicht gefolgt von seinem Flagglieutenant. Petty Officier Hunt hielt sich dezent im Hintergrund, die Ehrengarde in der Rampe war nicht für ihn bestimmt.

Die Crew der Morgana stand in Reih und Glied, wie man es perfekter nicht erwarten konnte. Ein Signal ertönte und jeder ging in Habachtstellung. Cooper ging einen Schritt vor und suchte die Augen des ersten Offiziers. Dieser war eine hochgewachsene Frau, wenigstens einen Kopf größer als Cooper und einen ungewöhnlich blassen Taint und in tadelloser Uniform. Als Coopers Augen sich mit ihren trafen, salutierte sie in einer flüssigen und professionellen Bewegung. Cooper erwiderte die Geste nicht minder zackig: „Bitte um Erlaubnis, an Board zu kommen.“

„Erlaubnis erteilt, Sir. Willkommen an Board!“ war die Antwort mit schneidiger Stimme. Im Gesicht der jungen Frau fehlte jede Regung, als sie weitersprach: „Ich bin Commander Kim Baker, Sir.“ Natürlich war Cooper bereits im Vorfeld klar, welchen Namen sein Erster trug. Er hatte, wie man es von ihm erwartet, das Dossier eines jeden Crewmitglieds gelesen. Vom ersten Offizier bis hin zu jedem einzelnen Wartungstechniker und der gesamten Versorgungscrew. Anerkennend nickte er ihr zu.

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