Familienbande

Ein leiser Summton wies auf eine eingehende Nachricht hin und wurde von einem blauen pulsierenden Licht abgelöst. Der braune sechsgliedrige Finger des Mogonen berührte es, um die Nachricht auf sein Display zu projizieren. Das glatte rüsselartige Gesicht des Kommunikationsoffiziers, dessen Finger noch immer leicht bebend auf der Position des verglimmten Lichtes lag, verengte seine schlitzartigen rabenschwarzen Augen zu einem besorgten Blick.
Nachdem er die kurze Nachricht ein zweites Mal überflogen hatte, hob er den Kopf und richtete seinen Blick auf den Kommandooffizier des Schiffes und sprach in einer flüssigen Sprache, die mit Gurgeln und Klickgeräuschen untermalt war: "Bruder Magta, das solltest du dir ansehen."
Der Magta des Schiffes erhob seinen rundlich gebeugten Körper und ging um den großen ovalen Tisch in der Mitte der Kommandozentrale, an der alle seine Offiziere saßen, anstatt die Nachricht bequem auf seine eigenen Displays zu transferieren. In der Mitte dieses Tisches befand sich eine detaillierte holografische Darstellung der Umgebung des Schiffes, welches selbst nur durch einen gelben Punkt in der Mitte der Projektion angegeben wurde. Im Hintergrund, an den Wänden des engen Raumes flimmerten Statusanzeigen und Veränderungsmitteilungen aller Systeme auf, welche über einen leicht erhöhten Steg erreichbar waren.
Der Magta beugte sich über die Kommunikationskonsole und überflog den aus Ecken, Kanten, Kreisen und Punkten bestehenden Text.
Die Nachricht ließ ihn erschrecken, nach einer kurzen regungslosen Pause richtete er seinen gehörnten Kopf mit den seitlich am Unterkiefer befindlichen Fühlern auf den Steuermann ihm gegenüber: "Mag, ändere sofort den Kurs", sagte er und gab die Koordinaten an.
Auf dem dreidimensionalen Holobild zwischen ihnen zoomten die Sterne zusammen, und eine weiße Linie zog sich leicht geschwungen von der aktuellen Position des Schiffes bis hin zur Quelle der Nachricht.
Ein gigantischer glühender Antrieb an den vier Seiten des imposant strukturierten Rumpfes des Mogonenschiffes drückte Hunderte von Megatonnen verschiedener Metalle in die gewünschte Richtung. Das ovale, nach hinten spitz zulaufende Schiff zog einen Bogen, drehte sich einmal um die eigene Achse und eine gewaltige Plasmaentladung beschleunigte es auf eine für dieses Schiff ungeahnte Geschwindigkeit.

Das Frachtschiff Nanni warf gerade einen von seinen fünf Sprungkreisen aus, die benötigt wurden, um zurück zur Erde zu gelangen, als ein schriller Ton die kleine hell erleuchtete Brücke erfüllte.
"Was zur Hölle ist das?", brüllte der Captain, in der Hoffnung, das Signal zu übertönen.
"Keine Ahnung, es kommt auf allen Kanälen", antwortete die junge Frau am Steuer direkt vor ihm nicht minder laut und drehte sich dabei zu ihm um. Der Ton unterbrach und Stille kehrte wieder ein.
"Ich habe die Kommunikation deaktiviert", erklärte ein junger Mann, der schräg zum Captain in der Ecke an einem Kontrollpult stand und mit einem kindlichen Lächeln auf ein dankbares Nicken seines Vorgesetzten wartete, welches jedoch ausblieb.
"Das ist nicht die Antwort, die ich wollte, Mark", brummte er stattdessen und wandte sich nicht einmal um, um sein jüngstes Crewmitglied anzusehen.
In der anderen Ecke der Brücke blickte ein älterer Mann von seiner kleinen Sensorenkonsole auf und rollte seinen Stuhl mit einem Schwung herüber zu der Kommunikationsanlage, die im Normalfall unbesetzt war. Nach einigen Minuten sah er seinen Captain an. "Kurt, es ist ein unverschlüsseltes Multiphasensignal, das auf allen gängigen Frequenzen und darüber hinaus gesendet wird. Wir erhalten nicht alle Informationen, da es kein genaues Ziel hat. Es könnte sich also um ein Notsignal handeln."
"Für so etwas haben wir keine Zeit. Wie weit bis zum Sprung? Anja?"
Die junge Frau am Steuer zuckte mit den Schultern. "Solange die Kommunikation abgeschaltet ist …"
Ein Schott, welches sich einige Stufen tiefer, direkt hinter dem Captain und zwischen den beiden Konsolen, in denen die anderen beiden Männer saßen, befand, öffnete sich und ein wütender Mann stürmte an das Geländer, das hinter dem Captainstuhl im Boden befestigt war. "Verdammte Scheiße, schlaft ihr, oder wieso antwortet ihr nicht?!"
Kurt sah ihn ruhig an: "Geht nicht, Thomas. Wir haben die Com ausgeschaltet, weil uns irgend so ein Scheißsignal überlappt."
"Kurt, wenn das ein Notsignal ist, sollten wir vielleicht …", meinte der ältere Mann an der Kommunikation.
"Lass das, Chris, ich sagte bereits, dass wir für so was keine Zeit haben, außerdem ist es ja wohl kein terranisches Signal."
Kurt blickte zu seinem Mechaniker: "Tom? Sprungbereit?", fragte er.
Der Mann nickte grimmig.
"Anja, du hast ihn gehört."
Die Frau nickte ebenfalls, drehte sich zurück zu ihrer Konsole und schaute wieder aus den schrägen Fenstern, die den vorderen Teil der Brücke umgaben. Von ihrer Konsole aus konnte sie fast alles um den Frachter herum sehen. Die Brücke befand sich in einem nach oben zulaufenden Aufbau und ermöglichte es dem Piloten sogar, einige Meter nach unten zu sehen. Das Sprungrad selbst konnte sie allerdings nicht sehen, da es am hinteren Ende des Schiffes ausgefahren und in Position gebracht worden war. Sie verband die Steuerungssysteme mit denen im Rad, auch wenn die Bezeichnung "Rad" irreführend war, da es sich tatsächlich nur um eine Ellipse handelte, die etwa um ein Drittel vorne offen war. Im Militärjargon nannte die Besatzung das Rad auch "das Omega".
Nachdem Anja das Schiff dem Rad angeglichen hatte und ihrem Captain erneut zunickte, übergab sie die Kontrolle dem Autopiloten.
"Cap, das Signal ist Mogon!", rief Christian auf und suchte Kurts Blick.
"Na, großartig", knurrte dieser, als ihm bewusst war, was dies zu bedeuten hatte

...